Er taucht ja immer wieder gerne auf.
Gesprochen aus tiefster Überzeugung oder einfach nur nachgeplappert; mit hochgezogener Augenbraue, in stiller Verzweiflung oder als subtiler Vorwurf. Er, steter Begleiter der Ein-Bild-sagt-mehr-als-tausend-Worte-Fraktion, Provokateur und Nadelspitze aller Schreibenden. Ein so schüchtern wirkender und doch so überraschend fortpflanzungsfreudiger Satz:
Das liest doch eh keiner!
Und wissen Sie was?
In ebendiesem Satz steckt mehr Wahrheit, als uns Schreibern lieb sein kann. Überall nämlich, wo die Grafik noch 2,4 Quadratzentimeter freiließ, wird Text hingepackt. Die Ecke is‘ ja noch frei. Wäre ja Verschwendung. Zahlt man ja mit beim Druck. Is‘ ja inklusive im Hosting-Paket. Muss man also ausnutzen. Kann man ja noch was sagen. Oder auch nix sagen und einfach nur was hinschreiben. Irgendwas mit Service oder Mehrwert oder Nachhaltigkeit zum Beispiel. Passt immer!
Ja, in den meisten Fällen stimmts tatsächlich: Das liest wirklich keiner. Außer uns Schreibern vielleicht. Wir haben, was das anbetrifft, eine Tendenz zur Selbstqual. Das ist wie eine Sucht. Wir lesen fast alles. Um uns anschließend oft stumm unter Schmerzen zu winden, uns verstohlen Tränen von den Wangen zu wischen oder rund 200 Gramm conchiertes Nougat in Tafelform zu uns zu nehmen – Essen ist Trost.
Ich apellier‘ an Ihren Kopf und an Ihr Herz: Lassen Sie bitte den Text weg. Den, den keiner braucht. Den, den keiner lesen will. Weil er einfach nur da steht. Und nichts zu sagen hat.
Lassen Sie die 2,4 Quadratzentimeter frei.
Machen Sie sich und Millionen Leser, Grafiker und Schreiber ein kleines bisschen glücklicher.